Jele Mailänder
Im Rhythmus leben
Wie Rituale mein leben prägen
Wochenlang hatte ich trainiert. Ich bin nicht die beste Schwimmerin, aber ich wollte gerne einmal einen Triathlon machen. Also schwamm ich. Und verbesserte mich in Stil, Atmung und Schwimmkoordination. „Alles, was du beim Schwimmen brauchst, ist Rhythmus!“, sagten mir erfahrene Triathleten. „Es kommt nicht auf die Geschwindigkeit an und auch nicht auf die Länge der Strecke. Solange du im Rhythmus bleibst, kommst du voran. Die Geschwindigkeit kommt von alleine.“
Ich dachte, ich hätte das verstanden. Aber ich habe es vermasselt. Mein Einstieg in meine nicht sehr glorreiche Triathlon-Karriere lief völlig unrhythmisch. Der Startschuss ertönte und ich wollte unbedingt zu den ersten gehören. Ich spurtete los, stürzte mich ins braune Wasser (sehr erfrischend war diese Runde im See nicht) und schwamm mich recht schnell in die vorderen Reihen. Dachte ich zumindest. Zwischen meinen Kraulbewegungen ging mein Blick immer wieder nach vorne. Innerlich jubelte ich: „Vor dir ist niemand. Du bist die Erste.“ Stolz ruderte ich weiter wild mit den Armen und japste nach Luft.
Bis sie mir ausging. Mir blieb im wahrsten Sinne des Wortes einfach die Luft weg. Ich tauchte auf und musste ein paar Brustschwimmzüge machen. Immer noch niemand vor mir. Außer die ganze Masse, die sich weit links von mir im Schwarm bewegte … Es waren meine Konkurrenten. Ich hatte über meinen wilden, unkoordinierten und unrhythmischen Kraulbewegungen, die ich nicht an meinen Atem angepasst hatte, die Richtung und die Kraft verloren. Mein Herz pochte, mein Atem war nur noch ein Hecheln. Demütig folgte ich dann mit mehr oder weniger kräftigen Brustschwimmbewegungen dem großen Feld. Ich war so froh, als ich – aus dem Wasser taumelnd – das Fahrrad endlich in Empfang nehmen konnte. Hätte ich nur auf den Rat der Triathleten gehört: lieber langsam, dem eigenen Rhythmus folgend und koordiniert schwimmen, als zu früh seine Kraft verlieren!
Erfahrungswert
Wer nicht im Rhythmus bleibt, verliert Kraft und die Richtung
Wer nicht im Rhythmus bleibt, verliert Kraft und die Richtung. Vielleicht habe ich deshalb eine große Leidenschaft für Rituale – also Rhythmus im Alltag – entwickelt!
So oft denke ich an diese Geschichte zurück: Wer nicht im Rhythmus bleibt, verliert Kraft und die Richtung. Vielleicht habe ich deshalb eine große Leidenschaft für Rituale – also Rhythmus im Alltag – entwickelt!
Darf ich Dich mit hineinnehmen, mit meinen Alltagsrhythmus – in Rituale, die ich für mich entwickelt habe? Sie helfen mir, bei mir zu bleiben. Ich verändere sie manchmal, aber nicht oft. Es sind Übungen. Vielleicht kommt Dir manches etwas verkopft oder fremd vor. Und doch werden sie über Wochen und Monate und Jahre zum Teil meines Lebens, Denkens und Glaubens. Zu manchen Zeiten sind es nur Übungen. Da bin ich nicht bei der Sache, bleibe nicht konzentriert oder sehe den tiefen Sinn nicht mehr. Dann mache ich weiter. Und hoffe, dass sie dennoch mein Herz verändern und mir helfen, im Alltagsrhythmus zu bleiben.
Mein Weg
Übungen für meinen Alltag.
Herr, komm in mir wohnen,
lass mein Geist auf Erden
dir ein Heiligtum noch werden;
komm, du nahes Wesen,
dich in mir verkläre,
dass ich dich stets lieb und ehre.
Wo ich geh,
sitz und steh,
lass mich dich erblicken
und vor dir mich bücken.[i]
Herr, komm in mir wohnen,
lass mein Geist auf Erden
dir ein Heiligtum noch werden;
komm, du nahes Wesen,
dich in mir verkläre,
dass ich dich stets lieb und ehre.
Wo ich geh,
sitz und steh,
lass mich dich erblicken
und vor dir mich bücken.[i]
Am Morgen
Die großen Heiligen und die kleinen Gottsucher behaupten, dass im Morgen eine Verheißung der Gottesnähe und der Ausrichtung liegt. Wenn das mit dem Aufstehen nur viel einfacher wäre!
Ich versuche mich auf ein realistisches Maß zu beschränken und erlebe den frühen Morgen so: Wenn ich die Füße das erste Mal auf den Boden setze, freue ich mich über ihn. Er trägt. Immer noch. Mich. Heute. Ich darf von einer Realität ausgehen, die so sicher wie der Grund ist, der mich trägt: Gott ist heute da.
Die Glaubenslehrer sagen: Alles, was wir suchen, war schon immer da. Unten am Boden. Ich muss nichts dazu tun, ich werde getragen. Und dann strecke ich dem Himmel meine Hände und Arme entgegen und flüstere (manchmal nur in Gedanken):
Und dann: Bücke ich mich tatsächlich. Ich verneige mich vor diesem Tag. Vor Gott. Vor der großen Realität, dass auch heute nicht alles von mir abhängt. Der Vers ist die Einladung: Sei heute in mir, Christus! Lebe in meinem Herzen! Finde deine Heimat in mir! Nur so kann ich auch Heimat in mir finden. Und in ihm. Und weil ich die Worte nicht jeden Morgen neu erfinden mag und kann (mit drei kleinen Kindern weiß ich, was Müdigkeit bedeutet!) hilft mir eben Gerhard Tersteegen mit seinen Worten. So beginne ich jeden Tag.
Im Anschluss übe ich das Herzensgebet. Ich verbinde meinen Atem mit den Worten „Du in mir. Ich in Dir.“ Mehr nicht. Ich übe jeden Tag 10 Minuten.
Gebet am Mittag
Mein Herz gehört Dir, Jesus!
Mitten am Tag – mitten im Chaos!
Die Mitte meines Lebens bist du!
Schenke mir Mut, Sanftheit und Kraft!
Amen.
Am Abend
Abends vor dem Schlafengehen sehne ich mich so sehr nach Gnade. Es gibt Tage, da bin ich habe ich meinen Ansprüchen und meinen Aufgaben nicht genügt. Oder ich brauche Vergebung. Statt Selbstvorwürfen, halte ich mir die Wahrheit vor Augen: „Ich bin geliebt. Ich bin mehr als meine Taten. Ich bin dein Kind! An diesem Abend. Nach diesem Tag. Und trotz dieses Tages!“ Dann lege ich mir beide Hände auf meinen Kopf und flüstere in die Nacht:
„Ich lebe aus der Flut deiner Gnade!
In deine gnädigen Hände gebe ich den Tag zurück.“
Dann lege ich mich ins Bett und zähle an meinen zehn Fingern zehn Dinge, Begegnungen, Ereignisse auf für die ich heute dankbar bin. Das dauert alles nicht lange, verändert aber meinen Schlaf. Und ich glaube zutiefst auch mein Leben.
Am Abend lege ich meine Hände auf den Kopf und flüstere in die Nacht
Ich lebe aus der Flut deiner Gnade!
In deine gnädigen Hände gebe ich den Tag zurück.
Seit Jahren schreibe ich Tagebuch. Es macht mein Leben achtsamer und beim Lesen staune ich oft, welche großen Linien sich durch mein Leben ziehen.
Am Anfang der Woche
Der Sonntagabend ist heilig. Hier gibt es bei mir nur wenige Ausnahmen. Mein Tagebuch, Kerzen und die Bibel sind mein „Tatort-Programm“. Jede Woche schreibe ich auf, was war, was mich bewegt. Dabei folge ich einem Schema, das von Fragen geleitet ist:
Was habe ich erlebt? Wofür bin ich dankbar? Was habe ich gelernt? Was lege ich vor die Füße von Jesus? Welche berührenden Begegnungen gab es? Wie komme ich meinem Ziel näher (mein Ziel: „Ich bin eine gegenwärtige, leidenschaftliche, lernbereite und dankbare Frau.“) Manchmal klebe ich Eintrittskarten, Postkarten, Bilder meiner Kinder ein oder schreibe ein Zitat oder eine Bibelstelle auf, das mich zurzeit berührt.
Seit Jahren schreibe ich Tagebuch. Es macht mein Leben achtsamer und beim Lesen staune ich oft, welche großen Linien sich durch mein Leben ziehen.
Am Ende des Jahres
Am Ende eines Jahres nehme ich mir einen Tag einen Stille-Tag. Ich schaue mir meine Tagebucheinträge ein, lese noch einmal, welche Bibelstellen mir wichtig geworden sind, wo Gott in mein Leben gesprochen hat und was alles war. Dann gebe ich dieses Jahr betend ab. Ich schreibe das alles in Stichworten in mein Tagebuch. Und dann schaue ich auf die Termine, Projekte, Dienste, Feste und Herausforderungen des kommenden Jahres. Und schreibe wieder auf, was mich dazu bewegt. Die Jahreslosung ist dabei für mich entscheidend. Auch das mache ich schon seit mehr als 10 Jahren und ich staune, was Gott alles Gutes in mein Leben gelegt hat.
Im Herbst
Es ist für mich ein Ritual im Herbst geworden, dass ich für einige Tage in ein Kloster fahre. Stille. Spirituelle Übungen (z.B. verstärkt Herzensgebet üben) und Beichte sind für mich zu einem festen Bestandteil des Jahres geworden. Und irgendwie passt das gut in den Herbst. Oft habe ich das Gefühl, dass etwas „reif“ geworden ist oder dass es „geistliche Früchte“ zu sammeln gilt. Wie manche Tiere vor der Winterruhe noch Vorräte einsammeln, fühlt es sich für mich manchmal an: Ich sammle geistliche Nahrung für das kommende Jahr. Die Impulse, die ich bei diesen Stillen Tagen durch Bibelarbeiten bekomme tragen mich oft über Monate hinweg. Ich bin mir sicher, dass es auch in deiner Nähe ein Haus der Stille, ein Einkehr- oder Exerzitienhaus gibt.
Rituale im Umgang mit Social Media
Derzeit denke ich viel darüber nach, ob es gute Rituale im Umgang mit Social Media gibt. Wenn ich zu viel Zeit auf der App Instagram verbringe, werde ich unruhig. Und FOMO (Fear Of Missing Out), eine frühere Begleiterin kommt mir wieder sehr nahe. Außerdem habe ich den Eindruck, dass sie mich die social media Zeiten viel an Achtsamkeit und Präsentsein berauben. Ich versuche derzeit die erste Stunde und die letzte Stunde des Tages überhaupt nicht in social media Plattformen unterwegs zu sein. Zu diesen Tageszeiten sind wir nämlich besonders empfindsam. Diese wertvollen Stunden sind mir zu kostbar. Hast Du gute Rituale im Umgang mit social media entwickelt? Dann schreib mir das so gerne auf meinem Facebook oder Instagramkanal @jelemailaender!
So oft denke ich an diese Geschichte zurück: Wer nicht im Rhythmus bleibt, verliert Kraft und die Richtung. Vielleicht habe ich deshalb eine große Leidenschaft für Rituale – also Rhythmus im Alltag – entwickelt!
Darf ich Dich mit hineinnehmen, mit meinen Alltagsrhythmus – in Rituale, die ich für mich entwickelt habe? Sie helfen mir, bei mir zu bleiben. Ich verändere sie manchmal, aber nicht oft. Es sind Übungen. Vielleicht kommt Dir manches etwas verkopft oder fremd vor. Und doch werden sie über Wochen und Monate und Jahre zum Teil meines Lebens, Denkens und Glaubens. Zu manchen Zeiten sind es nur Übungen. Da bin ich nicht bei der Sache, bleibe nicht konzentriert oder sehe den tiefen Sinn nicht mehr. Dann mache ich weiter. Und hoffe, dass sie dennoch mein Herz verändern und mir helfen, im Alltagsrhythmus zu bleiben.
Und wenn ich aus dem Rhythmus komme
Dann ich kann am nächsten Tag ja weitermachen und neu anfangen. Und davor bete ich „Ich lebe aus der Flut deiner Gnade!“
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Darf sie das? Warum steht hier kein Ausrufezeichen?
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Neulich bekam ich eine Anfrage, ein Referat zu halten. Da ich keine Zeit hatte, fragte er mich: „Kennst du denn eine andere Frau, die Du empfehlen kannst?“ Da habe ich ein Ziehen in der Herzgegend wahrgenommen: Neid.
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